Veranstaltung: | 59. Landesversammlung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen am 23.11.2024 in Chemnitz |
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Tagesordnungspunkt: | 3. Dringlichkeitsanträge |
Antragsteller*in: | Landesvorstand (Landesvorstand) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 20.11.2024, 16:08 |
D1: GRÜN aus Verantwortung für Sachsens Zukunft
Antragstext
Das Ergebnis der Landtagswahl 2024 und die Ergebnisse für alle demokratischen
Parteien markieren eine Zäsur für unser Land. Erstmals gibt es in Sachsen keine
Mehrheit der demokratischen Mitte, die eine stabile Regierung bilden kann. Hinzu
kommt der 6. November 2024: Mit dem Wahlsieg Donald Trumps in den Vereinigten
Staaten von Amerika müssen wir Freiheit und Sicherheit in Europa neu denken. Mit
dem Bruch der Ampel-Koalition im Bund ist viel Vertrauen in eine funktionierende
und verantwortungsvolle Politik zerbrochen. Wie Deutschland seiner Verantwortung
in Europa gerecht wird, wird entscheidend für die Neusortierung der
geopolitischen Lage sein.
Das alles passiert in einer Zeit, in der die aktuellen Herausforderungen größer
denn je sind: Hitzesommer, Dürren und Überschwemmungen nehmen zu, viele Menschen
und vor allem Familien fragen sich, wie sie ihre Rechnung bezahlen können,
Brücken stürzen ein, Busse und Bahnen fahren nicht, weil unsere Infrastruktur
jahrzehntelang kaputtgespart wurde und der Unterrichtsausfall an sächsischen
Schulen erreicht neue Rekordstände. Jetzt rächt sich die knallharte Sparpolitik
der CDU Sachsen der vergangenen Jahrzehnte. Gleichzeitig nehmen die Angriffe auf
unsere Demokratie und unser friedliches Zusammenleben in Sachsen immer stärker
zu.
Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine am 24. Februar
2022 brachte nicht nur unermessliches Leid über die Menschen in der Ukraine,
sondern stellte unsere europäische Friedensordnung grundsätzlich in Frage. Die
Unterstützung der Ukraine in ihrem Kampf gegen die Aggressoren eines
verbrecherischen Regimes heißt für uns auch, unser gemeinsames Europa zu
verteidigen. Unser Wohlstand, unsere Freiheit und unsere Sicherheit, beruhen auf
den Fundamenten eines starken und geeinten Europas. Auch hat uns der 24. Februar
deutlich vor Augen geführt: Erneuerbare Energien schützen nicht nur unser Klima,
sondern machen uns unabhängig von fossilen Energieimporten aus Russland und
garantieren so unsere Freiheit und Sicherheit. Erneuerbare Energien und niedrige
Energiepreise sind zugleich die notwendige Grundlage des künftigen
wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes. Zur Ehrlichkeit gehört dazu: der Krieg
gegen die Ukraine begann bereits 2014. Es war eine Große Koalition aus CDU und
SPD, die verhindert hat, dass Deutschland die notwendigen Schritte in Richtung
Energieunabhängigkeit gegangen ist. Trotz der Annexion der Krim wurde die
Gaspipeline Nord Stream 2 forciert. Es sind wir BÜNDNISGRÜNEN gewesen, die als
einzige politische Kraft schon vor einem Jahrzehnt deutlich gewarnt haben.
2019 haben wir BÜNDNISGRÜNE erstmals in der Geschichte des Freistaates Sachsen
Verantwortung als Teil einer Regierungskoalition übernommen. Wir haben in diesen
Jahren, die von Krisen und großen Herausforderungen geprägt waren, viel bewegt.
In Regierungsverantwortung haben wir nach Jahrzehnten der Reformblockaden und
den lähmenden Jahren der sächsischen Stillstands-GroKo aus CDU und SPD den
Kurswechsel hin zu einer zukunftsfähigen Politik erkämpft. Wir haben beim Ausbau
der Erneuerbaren endlich den Turbo gezündet, wir haben den Schutz unserer Natur
und Umwelt endlich Priorität eingeräumt und Bürgerbeteiligung sowie
Gleichstellung auf ein neues Level gehoben. Im Bund haben wir unter Robert
Habeck unser Land aus den Gasfesseln Putins befreit und unsere
Energieunabhängigkeit entschieden vorangebracht. In der größten geopolitischen
Krise unserer Zeit haben wir die Energiekrise in Deutschland abgewandt, die
Preise stabil gehalten und zugleich die Weichen neu gestellt beim Ausbau der
Erneuerbaren Energien sowie der ökologischen Transformation von Wirtschaft und
Industrie.
Gerade jetzt ist nicht der Punkt um stehenzubleiben oder zurückzugehen. Wer
jetzt noch die Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit in der
Vergangenheit sucht, setzt unsere Zukunft aufs Spiel. Wer bei der Lösung für die
Herausforderungen unserer Zeit bereit ist, die Abhängigkeit von Autokraten zu
manifestieren, gefährdet unsere Freiheit, unsere Sicherheit und unseren
Wohlstand. Es braucht daher jetzt eine klare Politik, die Orientierung gibt, um
die Zukunft Sachsens in einer schwierigen Mehrheitssituation zu gestalten. Als
BÜNDNISGRÜNE stehen wir für eine moderne Politik, die unsere natürlichen
Lebensgrundlagen schützt, allen Menschen Freiraum zur Entfaltung gibt und mit
Mut, Zuversicht und Gestaltungskraft handelt. Wir stehen weiterhin für die
geeignetsten Antworten auf die drängendsten Herausforderungen unserer Zeit.
Sachsen muss sich bewegen, sonst bleibt es stehen. Verlorene Jahre sind das
Letzte, was wir in diesen Zeiten gebrauchen können.
Um Wohlstand in Sachsen zu sichern braucht es ein Sachsen, das auf kluge
Fachkräfte sowie den Ausbau von Wind-, Solar-, und Bioenergie setzt - für
bezahlbare Energie und ein zukunftsfähiges, pragmatisches Handeln. Wir
BÜNDNISGRÜNE setzen darauf, Investitionen in nachhaltige Technologien zu
erleichtern und unnötige bürokratische Hürden weiter abzubauen.
Für ein starkes Sachsen in einem freien, geeinten Europa braucht es die Stärkung
der Westbindung und einen besonderen Blick auf unsere osteuropäischen Nachbarn.
Um die Friedensordnung wiederherzustellen und zu schützen, setzen wir
BÜNDNISGRÜNE auf die intensive und verlässliche Unterstützung der Ukraine.
Doch statt die großen Herausforderungen unserer Zeit mutig und klar
anzugehen,herrscht Chaos bei der Regierungsbildung in Sachsen. Für dieses Chaos
ist der Ministerpräsident verantwortlich. Statt sich für Stabilität, Kontinuität
und Verlässlichkeit in Sachsen einzusetzen, hat Michael Kretschmer mit
Populismus stabile Mehrheiten in der demokratischen Mitte der Gesellschaft
verhindert. Er hat die demokratische Mitte in Sachsen leichtfertig preisgegeben
und sich naiv in die Arme von der populistischen Partei von Sarah Wagenknecht
geflüchtet. Die verheerenden Konsequenzen dieser gescheiterten Politik haben
jedoch in aller erster Linie die Menschen im Freistaat Sachsen zu tragen. Sie
zahlen die Zeche für Chaos, Instabilität und eine handlungsunfähige Regierung
ohne eigene demokratische Mehrheit. Jetzt liegt es an Michael Kretschmer und der
sächsischen CDU, die Scherben wieder aufzukehren und für Stabilität zu sorgen.
Verantwortung zu übernehmen setzt für uns BÜNDNISGRÜNE eine vertrauensvolle
Zusammenarbeit voraus. Als die Ampel erstmals im Bund regierte, wurde immer
spürbarer, dass die sächsische CDU ihre Aufgabe darin sieht, mit unsinnigen
Blockaden Opposition zur Bundesregierung zu spielen, statt hier umsetzbare
Lösungen zu präsentieren und ihrem Gestaltungsauftrag in Sachsen nachzukommen.
Narrative von der AfD wurden teilweise kopiert und damit den Rechtsextremen
zusätzlich Aufwind gegeben. Mit ständigen Fingerzeigen gegen die Ampel in Berlin
und Angriffen auch gegen die eigenen Koalitionspartner, statt klarer Abgrenzung
von rechtsextremen und altstalinistischen Strömungen, hat der Ministerpräsident
Kretschmer den Freistaat Sachsen in eine politische Sackgasse manövriert. Er hat
sich selbst um stabile Koalitionsoptionen gebracht und somit Vertrauen
verspielt. Das ist gefährlich angesichts der großen Herausforderungen, vor denen
wir in Sachsen stehen. Es ist nun höchste Zeit, zu einem fairen demokratischen
Meinungsstreit zurückzukehren. Nur so kann das Vertrauen der Menschen in die
Politik gestärkt und Zuversicht geschaffen werden. Wir BÜNDNISGRÜNE in Sachsen
stehen für gute und neue Ideen für eine lebenswerte Zukunft, die die Realitäten
anerkennen und nicht die Vergangenheit verklären. Diese wollen wir mit den
Menschen hier diskutieren und uns gemeinsam auf den Weg machen, unser Land
zukunftsfest und lebenswert zu gestalten. Das ist die Grundlage dafür, dass das
Vertrauen der Menschen in die Politik wieder gestärkt wird.
Der Rechtsextremismus ist die größte Gefahr für unsere liberale Demokratie und
unsere innere Sicherheit. Die AfD fungiert seit jeher als parlamentarischer Arm
dieser gefährlichen Ideologie. Eine Zusammenarbeit darf nur möglich sein mit
Parteien und Akteur*innen, die felsenfest auf dem Boden der freiheitlich
demokratischen Grundordnung stehen. Bei der CDU steht, entgegen ihrer eigenen
Verlautbarungen, die Tür zur Zusammenarbeit mit der AfD so weit offen wie nie.
Dass sich Ministerpräsident Kretschmer noch inmitten der laufenden
Sondierungsgespräche mit dem AfD Parteichef Urban getroffen hat, ist
brandgefährlich. Auch die sächsische SPD muss sich fragen, wie sie mit der
rechtsextremen AfD umgehen will. Es entbehrt jeder staatsbürgerlichen
Verantwortung, sich mit Faschisten zu treffen - und das auch noch an jenem Tag,
an dem sächsische AfD-Mitglieder wegen Terrorverdachts festgenommen wurden. Für
uns BÜNDNISGRÜNE steht fest: Mit Verfassungsfeinden, die alle Grundsätze unserer
liberalen Demokratie mit Füßen treten, darf es keine Zusammenarbeit geben.
Der menschengemachte Klimawandel und der Verlust der Artenvielfalt gehören zu
den größten Herausforderungen, die wir im 21. Jahrhundert zu bewältigen haben.
Wir erleben einen Hitzesommer nach dem anderen, immer mehr Hochwasser, die
Existenzen zerstören und Milliardensummen kosten und Ernteausfälle, die unseren
Landwirt*innen immer stärker zu schaffen machen. Wir können es uns schlicht
nicht mehr leisten, Klimaschutzmaßnahmen aufzuschieben, denn das ist ökologisch
unverantwortlich, ökonomisch unvernünftig und für unsere Kinder und Enkel
ungerecht. Nur wirksamer Klimaschutz sichert uns allen eine lebenswerte Zukunft
und nur mit einer konsequenten sozialverträglichen Klimapolitik kann es eine
gute wirtschaftliche Entwicklung in Sachsen geben. Es ist der Schutz gegen
Extremwetter, der eine nachhaltige Landwirtschaft sichert. Es ist die
Verfügbarkeit der Erneuerbaren Energien, die heute schon der entscheidende
Standortfaktor für die Unternehmen in Sachsen ist. Der Ausbau der Erneuerbaren
Energien muss auch deshalb oberste Priorität haben. Es macht uns Sorgen, wie
insbesondere CDU und SPD den Klima- und Umweltschutz ignorieren oder sogar
blockieren. Für uns BÜNDNISGRÜNE ist klar: Es ist unsere gemeinsame
Verantwortung, dem Klima- und Umweltschutz als dem zentralen Thema unserer Zeit
Priorität einzuräumen und weiterhin daran zu arbeiten, die Energiewende in
Sachsen voranzubringen. Nur so sichern wir ein gutes Leben für uns und unsere
nachfolgenden Generationen.
Seit dem Februar 2022 ist die Welt eine andere. Es herrscht wieder ein heißer
Krieg in Europa und unsere europäische Friedensordnung steht auf dem Spiel.
Unsere Freiheit, unser Wohlstand und unsere Sicherheit in Deutschland und Europa
sind das Produkt der Westbindung Adenauers und eines jahrzehntelangen
gemeinsamen europäischen Einigungsprozesses. Mit dem Wahlsieg Donald Trumps ist
klar: Europa muss jetzt näher zusammenrücken und mehr für seine eigene
Sicherheit und Verteidigung tun. Europas Schicksal darf nicht an den Interessen
eines Nationalisten und Populisten hängen. Wir sehen, dass die Frage von Krieg
und Frieden die Menschen in Sachsen, in Deutschland, in ganz Europa, bewegt und
viele Menschen Sorgen um den Frieden in der Welt haben. Auch sehen wir, dass
immer mehr Parteien diese Sorgen schamlos ausnutzen und Angst
instrumentalisieren, um das Land zu spalten. Das ist verantwortungslos. Klar
ist: Wenn die Ukraine den Krieg verliert, ist der Krieg bei uns. Frieden in
Europa kann es nur dann geben, wenn die Ukraine frei ist und die Grenzen von
1991 wiederhergestellt sind. Niemals dürfen wir als Bundesrepublik Deutschland
akzeptieren, dass Völkerrecht gebrochen und Grenzen in Europa gewaltsam
verschoben werden. Um die europäische Friedensordnung wiederherzustellen und zu
sichern, braucht es die klare und kompromisslose Unterstützung der Ukraine. Für
uns BÜNDNISGRÜNE ist klar: Wir müssen Verantwortung übernehmen und Haltung
zeigen für die Menschen in der Ukraine und für echten Frieden in Europa.
Vielfalt, Weltoffenheit, soziale Sicherheit und eine starke Wirtschaft sind
zentrale Grundlagen für ein gutes Leben in Sachsen. Wir wollen, dass Sachsen für
alle Menschen attraktiv ist
- unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung oder
Hautfarbe. Viele Menschen fühlen sich mit ihren Anliegen und Perspektiven im
Freistaat aktuell nicht gut vertreten und sind enttäuscht von der Politik. Wenn
sich diese Personengruppen dauerhaft von der Politik abwenden oder gar das Land
verlassen, gefährdet das unsere Zukunft und unseren Wohlstand. Um dem entgegen
zu wirken, ist es notwendig, den Menschen stärker zuzuhören und mit ihnen ins
Gespräch zu kommen, zugleich aber menschenverachtenden oder antidemokratischen
Parolen deutlich zu widersprechen. Wir dürfen vor allem junge Menschen nicht
rechtsextremen Parteien wie der AfD oder den Freie Sachsen überlassen, die mit
perfiden Strategien versuchen jene Lücken vor Ort zu füllen versuchen, die
Freistaat und Kommunen im Wettstreit um den schmalsten Sparhaushalt klaffen
lassen. Hierfür müssen wir in Sachsen viel stärker investieren: in Bildung,
Inklusion, Digitalisierung, Bus und Bahn sowie Orte für Demokratie, Kultur und
Jugend. Wir BÜNDNISGRÜNE setzen daher auf starke Investitionen in die
öffentliche soziale Infrastruktur und Chancengleichheit im Freistaat Sachsen, um
den gesellschaftlichen und sozialen Frieden zu stärken, Menschen wieder
zusammenzuführen und ihnen gute Perspektiven in Sachsen zu bieten. Dies ist ein
wesentlicher Baustein, um das Vertrauen der Menschen in unsere Demokratie zurück
zu gewinnen.
Wir haben viel geschafft, aber wir sind noch lange nicht fertig. Wir
BÜNDNISGRÜNE wollen uns nicht auf dem Erreichten ausruhen. Die großen
Herausforderungen zu bewältigen, wird all unsere Kraft, all unser Vertrauen, all
unsere Fähigkeiten benötigen. Wir sind überzeugt: Gemeinsam können wir das
meistern. Gemeinsam mit den vielen engagierten Menschen, gemeinsam mit unseren
starken Unternehmen, gemeinsam mit unseren vielfältigen Verbänden und Vereinen
in Sachsen. Unser Land verdient eine verlässliche Politik, die die Realitäten
sieht und entschlossen handelt. Der Moment dafür ist jetzt. Jetzt ist Zeit, nach
Vorne zu gehen zukunftsgerichtet zu denken und zu handeln. Wir BÜNDNISGRÜNE
machen dieses Angebot, um unser Land nach vorne zu bringen.
Begründung
Die Ereignisse des 6. November (Brombeer-Aus, Ampel-Bruch, Wahlsieg Donald Trumps) ereigneten sich nach dem Verstreichen der Antragsfrist. Der Landesvorstand zog den ursprünglichen Leitantrag, der sich im Wesentlichen auf das Verhandlungsgeschehen der Brombeer-Parteien bezog, zurück.
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